Barrierefreier Zugang zu Kultur
Autor: Mathias Küng
Das zweijährig stattfindende Figura Theaterfestival in Baden, Wettingen und Turgi ist aus dem Kulturangebot im Aargau nicht mehr wegzudenken.
Zu etwas ganz Besonderem macht das Festival, dass es Menschen mit Behinderungen sowie deren Bedürfnisse sichtbar machen will – «sei dies vor, hinter oder auf der Bühne». Das betont Simone Perret, Projektleiterin Inklusion. Das Figura Theaterfestival möchte ein zugängliches Festival für alle Menschen sein, ob mit oder ohne Behinderungen. Perrets Projektfokus liegt speziell auf Menschen mit einer Seh-, Hör-, Mobilitäts-, psychischer und kognitiver Behinderung.
Zur Erläuterung: Seit 2018 ist FIGURA Trägerin des Labels «Kultur inklusiv», und dies als erste Aargauer Kulturinstitution. Das Label wird von Pro Infirmis an Institutionen verliehen, die sich speziell um inklusive Massnahmen und einen breiten Zugang zu ihren kulturellen Angeboten bemühen.
Welche inklusiven Massnahmen?
Es geht etwa darum, Vorstellungsräume und Waschräume auf Rollstuhlgängigkeit zu checken. Bei ausgewählten Stücken wird geschaut, das es eine Übersetzung in Gebärdensprache gibt, ob Audiodeskription oder Übertitelung angeboten werden können. Angeboten werden auch Backstage-Führungen, wo Sehbehinderte die Spielfiguren mit dem Tastsinn erfahren können. Programmtexte werden in einfacher Sprache redigiert und ein barrierefreier Zugang, sowohl zu den Spielorten als auch auf der Festival-Homepage, angestrebt.
Programm gibt Auskunft
Das Programmheft enthält auch Informationen zu Zugänglichkeit und zu besonderen Angeboten wie eben Gebärdensprache und Audiodeskription. Zwar werden die Angebote von einigen Zuschauenden dankbar angenommen, weiss Perret aus entsprechenden Rückmeldungen. Doch ein Erfolg der Massnahmen lässt sich (noch) nicht signifikant anhand der Besucherzahlen messen. Trotzdem sind diese kleinen Schritte von grosser Bedeutung – für die Positionierung als inklusives Festival, aber vor allem auch für theaterinteressierte Menschen mit Behinderungen.
Diese Massnahmen kosten allerdings Geld, welches nicht allein durch Eintritte hereinkommt. So ist auch Perret für ihr Projekt auf finanzielle Unterstützung von dritter Seite angewiesen. Dessen Gesamtkosten innerhalb des Festivals belaufen sich auf 41’300 Franken. Bei der Stiftung LEBENSRAUM AARGAU beantragte Perret erfolgreich 12’800 Franken. Sie freut sich sehr darüber, wie auch über die Unterstützung anderer Stiftungen und Institutionen, «die uns wie auch die Stadt Baden und die regionalen Kulturinstitutionen generell wohlwollend gegenüberstehen. Sie sehen, wie wichtig und nötig inklusive Kultur ist».
Was geschieht mit dem Geld der Stiftung?
Bezahlt werden damit unter anderem Übersetzungen in Gebärdensprache. Perret rechnet mit insgesamt neun übersetzten Vorstellungen (teilweise wird eine Produktion mehrfach aufgeführt und übersetzt) plus zwei Reden. Dazu sind zwei Audiodeskriptionen eingeplant. Schliesslich geht es auch um eine erneute Weiterbildung des über 30-köpfigen Teams (bestehend aus dem Organisationskomitee, Techniker:innen sowie Helfenden) mit einem Fokus auf mindestens zwei Behinderungsarten.
Ziel ist, konkrete Situationen in einer Spielstätte durchzuspielen (z. B. wenn eine Person mit Sehbehinderung ein Ticket kaufen will), Hindernisse gemeinsam zu ermitteln und geeignete Massnahmen zu besprechen. Dank der Selbsterfahrung soll so besser erkannt werden, wie die Zielgruppen am besten unterstützt werden können.
Ziel: Inklusion vor, auf und hinter der Bühne
Damit man nicht etwas anbietet, das an den Zielgruppen vorbei geht, «haben wir eine Begleitgruppe aus selbstvertretenden Menschen mit Seh- und Hörbehinderung formiert, die uns im gesamten Prozess beratend und unterstützend zur Seite stehen», erläutert Perret. «Wir wollen sie jetzt um zwei Menschen erweitern, vorzugsweise eine Person mit körperlicher und eine Person mit psychischer oder kognitiver Behinderung», so Perret.
Perrets Ziele sind klar: «Inklusion soll nicht nur vor, sondern auch auf und hinter der Bühne gelebt werden. Ich wünsche mir, dass vermehrt Menschen mit Behinderungen auch hinter der Bühne und im Figura-Team mitarbeiten können. Unsere Programmgruppe ist ausserdem stets auch auf der Suche nach inklusiven Produktionen, die den hohen qualitativen Ansprüchen genügen. Wenn sich eine solche Perle finden lässt, ist das sehr toll! Über eine Million Menschen in der Schweiz hat eine Behinderung. Das soll sie nicht am Besuch einer Veranstaltung hindern.»