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Mal schau’n, wie das geht

Autor: Mathias Küng

«Mal seh’n» ist ein Sensibilisierungsangebot von Procap Schweiz, dem grössten Mitgliederverband von und für Menschen mit Behinderungen.

Sabrina Salupo, Projektleiterin bei Procap in Olten, erklärt worum es geht: «Der Umgang mit Menschen mit Behinderungen ist für viele Personen nicht alltäglich und kann Verunsicherungen hervorrufen. Denn ohne konkrete Erfahrungen kennen Menschen ohne Behinderungen die speziellen Bedürfnisse der Betroffenen meist zu wenig. Gegenseitiges Verständnis und ein respektvoller Umgang miteinander sind aber wichtige Voraussetzungen, dass Inklusion funktionieren kann.»

Authentische Begegnungen finden am besten in einer offenen Lernumgebung statt und die Sensibilisierung schon in jungen Jahren erzielt die grösste Wirkung, ist Sabrina Salupo überzeugt. Deshalb geht Procap für die meisten «Mal seh’n»-Einsätze in Schulen. In der Regel finden die Einsätze in einer Doppellektion im Rahmen des üblichen Stundenplanes statt. Meistens behandelt die Lehrperson das Thema Behinderung im Unterricht vorab, dann folgt der Besuch von Procap. Für öffentliche Schulen, die meist nur ein knappes Budget haben, ist das Angebot kostenlos, für höhere Schulen und Unternehmen ist es kostenpflichtig.

Doppellektion für Hörbeeinträchtigte am Landenhof

Ab Sommer 2024 wird am Landenhof. Zentrum für Hören und Sehen in Unterentfelden eine Tagessonderschule Sehen geführt, wie Franziska Merz, Projektleiterin Tagesschule vom Landenhof darlegt. So fanden im März 2024 vier Sensibilisierungs-Doppellektionen statt. Wir konnten bei einer dabei sein. Christiane Meier von Procap (sie ist selbst gehörlos) erklärt, man habe dafür hörbeeinträchtigte Schülerinnen und Schüler verschiedener Altersgruppen zusammengefasst. Vor uns sitzen 12- bis 17-Jährige.

«Hand aufstrecken nützt bei mir nichts, sprecht einfach.»

Im Auftrag von Procap führt Regula Schütz durch die Lektion. Sie ist blind. Als Kind sah sie zwar, aufgrund einer Augenkrankheit aber nie gut, erzählt sie den mucksmäuschenstill dasitzenden Teenagern. Seit dem 30. Lebensjahr ist sie blind.

Wie sie souverän vor der Klasse steht, spricht und dazwischen fröhlich lacht, ist äusserst beeindruckend, ihr Humor ebenso: «Hand aufstrecken nützt bei mir nichts, sprecht einfach», fordert sie die Jugendlichen lächelnd auf, und erklärt ihnen: «Meine Freundinnen haben keine Falten, für mich sehen sie so aus, wie ich sie letztmals vor vielen Jahren gesehen habe.»

Die Moderatorinnen und Moderatoren nehmen den Kindern mit ihrer authentischen und fröhlichen Art sehr schnell das Betroffenheitsgefühl und die Berührungsängste, macht Procap geltend. Am Landenhof können wir uns überzeugen: Es ist genau so.

Die Jugendliche dürfen alle Fragen stellen

Die Jugendlichen dürfen alle Fragen stellen, die sie interessieren. Gruppenweise lernen sie danach in Workshops, angeleitet von Lehrkräften, mit einer «Stüpflitafel» die Brailleschrift kennen. Oder sie führen eine Schulkollegin, deren Augen verbunden sind, eine Treppe rauf und runter. Alle sind konzentriert bei der Sache, die Lektion vergeht im Flug.

Als gemeinnütziger Verein ist Procap für die Durchführung des Sensibilisierungsprojekts auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Sabrina Salupo rechnet allein im Aargau dieses Jahr mit rund 20 Einsätzen. Geld gibt es von verschiedenen Förderstiftungen. Auch die Stiftung LEBENSRAUM AARGAU unterstützt das Projekt mit einem grosszügigen Betrag. Es ist sehr gut investiertes Geld.